Es gibt in diesem Land doch tatsächlich Menschen, die nicht mehr Geld wollen. Andreas Pinkwart (FDP), nordrhein-westfälischer Minister der schwarz-gelben Landesregierung, ist empört: „Vielleicht möchten einige Stipendiaten, die jetzt auf zusätzliches Geld meinen verzichten zu können, ja eigentlich unter sich bleiben.” (Quelle: FTD vom 20.04.2010)
Worum geht es? Wenn am morgigen Mittwoch das Kabinett der ebenfalls schwarz-gelben Bundesregierung zusammen tritt, wird es auch um die Erhöhung des sogenannten Büchergeldes für die Stipendiaten der zwölf Begabtenförderungswerke gehen. Das aus historischen Gründen so bezeichnete Büchergeld macht den vom Einkommen der Eltern unabhängigen Anteil des Stipendiums aus, der pauschal an jeden Stipendiaten ausgezahlt wird. Bislang beträgt es monatlich 80 Euro. Nach den Plänen der schwarz-gelben Koalition, die sich die Elitenförderung auf die Fahnen geschrieben hat, werden zukünftig 220 Euro dazu kommen, so dass das Büchergeld auf insgesamt 300 Euro steigt.
Gegenwind aus den Begabtenförderungswerken
Doch die Profiteure der Erhöhung stellen sich nun offen gegen die Pläne der schwarz-gelben Regierung. In einer Online-Petition mit 3717 Unterzeichnern — darunter überwiegend aktuelle und ehemalige Stipendiaten — und in einer gemeinsamen Erklärung der stipendiatischen Bundesvertretungen der Friedrich-Ebert-Stiftung, des bischöflichen Cusanuswerkes, der Heinrich-Böll-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben die Stipendiaten ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Darin fordern sie die Bundesregierung auf, die geplanten Maßnahmen zur Bildungsförderung anders zu gestalten um die soziale Selektion nicht zu verschärfen, sondern abzumildern. Sie stellen sich damit offensiv gegen die Büchergelderhöhung:
„Die drastische Erhöhung des Büchergeldes sowie die Einführung des nationalen Stipendienprogramms halten wir jedoch im Hinblick auf Bildungsgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit für isolierte und den Umständen unangemessene Maßnahmen.”
Sicher, das Büchergeld wurde seit 1980 nicht mehr erhöht. Daher treten auch die jetzt rebellierenden Stipendiaten für eine — moderate — Erhöhung ein. Eine Erhöhung um 220 Euro bezeichnen sie allerdings zu Recht als unverhältnismäßig.
Sind die Unterzeichner nun, wie Minister Pinkwart vermutet, vorallem daran interessiert, unter sich zu bleiben und eine stärkere Förderung von Studierenden aus sozial schwachen Elternhäusern zu verhindern? Wohl kaum.
Ihnen geht es um mehr als Geld. Es geht ihnen vorallem um Gerechtigkeit im Bildungswesen. Um Durchlässigkeit, um faire und möglichst gleiche Chancen für alle. Die lange gepflegte Illusion, durch Leistung und Fleiß hätte jeder junge Mensch, gleich ob aus armen oder wohlhabenden Elternhaus, die gleiche Chance auf eine gute Bildung wurde längst abgelöst durch breite Ernüchterung: Das Bildungssystem der Bundesrepublik ist in allen Ebenen hoch selektiv, wie verschiedene nationale und internationale Studien immer wieder belegen. Das gilt auch für den Bereich der staatlichen Begabtenförderung. Eine einseitige Erhöhung des einkommensunabhängigen Büchergeldes, so befürchten die Unterzeichner der Petition, würde die soziale Schieflage im Bildungssystem noch weiter verhärten, weil die zusätzliche Förderung nur den — zumeist aus ohnehin priviligierten Verhältnissen stammenden — Stipendiaten zugute kommt, während die Lage der großen Masse an Studierenden mit BaföG-Förderung (Hier gibt es kein pauschales Büchergeld!) und Nebenjob kaum verbessert wird.
Die soziale Schieflage der Begabtenförderung
Eine aktuelle Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) bestätigt diese Einschätzung. Während 37 % aller Studierenden aus gehobenen sozialen Verhältnissen (hohe Bildung und hohes Einkommen im Elternhaus) stammen, macht deren Anteil an den Stipendiaten stolze 50 % aus. Wenngleich sich die sozialen Profile der zwölf Begabtenförderungswerke teilweise deutlich unterscheiden, ist die Tendenz nicht zu übersehen, was die folgende Grafik verdeutlicht:
Die bereitgestellten Mittel, die die schwarz-gelbe Bundesregierung nach der Entscheidung am Mittwoch als große Investition in die Bildung verkaufen wird, wären in der Abfederung der gravierenden Ungerechtigkeiten besser aufgehoben. Eine Investition in Bildung darf nicht nur gute Noten belohnen, sondern muss die Grundlage schaffen, dass Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft zu diesen guten Noten befähigt werden. Es muss daher vor allem darum gehen jene mitzunehmen, die bisher nicht den Weg zum Studium bestreiten können oder dieses aus finanziellen und sozialen Gründen abbrechen müssen. Die geplante Büchergelderhöhung hingegen begünstigt nach dem Gießkannenprinzip vorallem jenen kleinen Kreis an Stipendiaten, der sich, das belegt die HIS-Studie, zu einem großen Teil aus ohnehin bildungsnahen und einkommensstarken Schichten rekrutiert.
Das nationale Stipendienprogramm: Ein bildungspolitischer Irrweg
Die enorme Büchergelderhöhung wird auch damit begründet, dass die Stipendiaten der Begabtenförderungswerke mit den zukünftigen Empfängern des geplanten nationalen Stipendienprogramms gleichgestellt werden müssen, die nach dem Willen der Regierung pauschal 300 Euro erhalten werden.
Anders als es sich die klassischen Begabtenförderungswerke auf die Fahnen geschrieben haben, soll das nationale Stipendienprogramm allerdings nur finanzielle Förderung beinhalten und dabei nur noch nach Leistung auswählen. Die klassischen Begabtenförderungswerke dagegen bestehen bewusst darauf, dass ihre Stipendiaten auch gesellschaftliches Engagement mitbringen: Sie sprechen von einer Verantwortungselite. Der Leistungsträger des modernen neoliberalen Weltbilds dagegen übernimmt keine gesellschaftliche Verantwortung, er schreibt nur gute Noten und reagiert auf finanzielle Anreize.
Die Konzentration auf pauschale, von sozioökonomischen Faktoren unabhängige Zahlungen und Elitenförderung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der breiten Masse — die BaföG-Sätze steigen nur um zwei Prozent — verdeutlichen den bildungspolitischen Irrweg, auf den sich diese Regierung begibt.
Elitenförderung ist richtig und wichtig — aber sie darf nicht einseitig erfolgen und auch nicht dazu beitragen, die Durchlässigkeit und Chancengerechtigkeit im Bildungssystem weiter abzubauen. Die Zukunft Deutschlands hängt vorallem von guter Bildung für alle, nicht von exzellenter Bildung für einige wenige ab!
Statt das Büchergeld zu erhöhen und damit alle Stipendiaten pauschal zu beglücken, wäre die Ausweitung der allgemeinen Freibeträge — sowohl für Stipendiaten als auch für BaföG-Empfänger — sinnvoller. Dadurch kämen mehr Studenten und Studentinnen in den Genuss der BaföG-Förderung — und auch jene Stipendiaten, denen eine Erhöhung des Büchergeldes wirklich nützen würde, weil sie zur Zeit knapp über der Grenze der einkommensabhängigen Förderung stehen. Es geht um eine breite Förderung, um Studenten aus bildungsfernen Schichten ein Studium zu ermöglichen, ohne die Bildung einer Verantwortungselite zu vernachlässigen. In Zeiten von Bologna und Studiengebühren ist dies eine wesentliche Aufgabe der staatlichen Bildungspolitik, die durch das nationale Stipendienprogramm und die pauschale Büchergelderhöhung von der schwarz-gelben Bundesregierung missachtet wird.
Ein gemeinsamer Aritkel von Kalle Kappner und Nadim Ayyad. Die Autoren sind Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und Unterzeichner der genannten Petition.
Download: Gemeinsame Stellungnahme der Stipendiaten, [PDF]
Link: Onlinepetition mit Begründungstext
Link: Das soziale Profil in der Begabtenförderung, [PDF]
Schöne Aktion, schöner Artikel. :)
Eine Petition, bei der lauter Anhänger der Opposition ein Vorhaben der Regierung kritisieren — die muß man nicht wirklich ernst nehmen.
Ernst nehmen könnte man sie dann, wenn sie das von ihnen nicht gewünschte Geld spenden. Wären ja immerhin (3717×22×12) fast 10 Millionen Euro im Jahr, damit kann man schon was machen.
Aber wahrscheinlich bleibt es beim billigen Protest mit der Unterschrift.
Ansonsten: Ja, bei der Begabtenförderung geht es um Eliten. Da will man ganz bewußt die fördern, die besonders gut sind. Hier eine spezielle Berücksichtigung von Schwachen zu erwarten geht an der ganzen Grundidee dieser Stipendien vorbei.
Natürlich kann man das auch anders sehen und bewußt nur die Begabten fördern wollen, die es finanziell nötig haben. Falls die grünen/roten/ganz roten Förderwerke das wollen, dann haben sie dieses Ziel offensichtlich verfehlt, sie fördern überwiegend Studenten aus gehobenen Einkommensschichten.
Hast du den Artikel überhaupt gelesen?
Die Hauptargumentation ist, dass nicht die Stipendiensysteme, sondern die allgemeine Förderung (über BaföG) ausgebaut werden muss.
Auf die Eigenverantwortung der Stipendiaten zu setzen („Spendet doch, wenn ihr so sozial seid!”) halte ich für den falschen Weg. Dann können wir es ja auch bald jedem Steuerzahler selbst überlassen, was für einen Betrag er für eine angemessene Steuerabgabe hält. Eine ähnliche Argumentation habe ich ja auch schon erlebt, als diese Gruppe „Millionäre für eine Millionärsabgabe” öffentlich auftrat. Da hielt man ihr ja auch entgegen: „Spendet eure Kohle doch, wenn ihr das unbedingt wollt!”. Grade darum geht es ja nicht. Es geht darum, dass !alle! „spenden” (oder im Fall des Büchergelds verzichten) sollen. Eigenverantwortung ist schön und gut, aber dass diese in finanziellen Fragen oft nicht funktioniert wurde in der Vergangenheit wohl oft genug bewiesen.
Im übrigen planen die besagten Begabtenförderungswerke die Einrichtung eines Fonds, in den das Geld eingezahlt werden kann. Ist zwar eine nette Idee, aber für mich nicht ausreichend.
„Auf die Eigenverantwortung der Stipendiaten zu setzen („Spendet doch, wenn ihr so sozial seid!“) halte ich für den falschen Weg.”
Heisst dass, du wärst zur Finanzierung solcher Stipendien für nachgelagerte Studiengebühren?
Wie auch immer, diese Methode ist ja nunmal die, nach der Eliteuniversitäten dieser Welt sich teilweise finanzieren, da funktioniert das also. Na klar wäre es schön, auch in Deutschland Universitäten mit einem ähnlich hohen Grad an Unabhängigkeit vom Staat zu haben und ich glaube auch nicht, dass dieses Stipendienprogramm da zwangsläufig hinführen wird. Aber das spricht ja nicht gegen das Vorhaben an sich.
Die im Text oben gemachte Unterstellung, „normale” Stipendiaten würden sich gesellschaftlich nicht engagieren wollen find ich übrigens auch ganz schön krass. Ebenso die Einstellung, man würde der Gesellschaft allein dadurch, dass man auf Parteiticket studiert und den damit verbundenen Ideologie-Murks mitmacht irgendwie bereichern. Gesellschaftliches Engagement hat mit irgendwelchen Institutionen nichts, aber auch gar nichts zu tun, sondern ist ausschließlich von der individuellen Lebenseinstellung der jeweiligen Bürger abhängig.
„Heisst dass, du wärst zur Finanzierung solcher Stipendien für nachgelagerte Studiengebühren?”
Verstehe ich nicht. Ich bin gegen Studiengebühren. Was das mit Stipendien zutun hat, weiß ich nicht.
Du kannst davon ausgehen, dass alle Begabtenförderungswerke darauf wert legen, dass reales gesellschaftspolitisches Engagement stattfindet. Das ist in den meisten Fällen nicht identisch mit „Parteiarbeit” (was auch immer genau du damit meinst). Wenn sich aber eine Person im Rahmen einer Partei zum Beispiel gegen Rechts- oder Linksextremismus engagiert, ist das dann Parteiarbeit oder Engagement (was für dich ja anscheinend ein Unterschied ist)?
Für mich ist die Mitarbeit in jeder demokratischen Partei Engagement für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der Ideologien hinterfragt, ausgearbeitet und angewendet werden, geht unter. Eine unpolitische Gesellschaft kann und wird es nicht geben. Jedenfalls nicht, wenn sie demokratisch sein soll.
Soviel dazu.
Im Text findet sich nicht die Unterstellung, „normale” (du meinst wahrscheinlich die zukünftigen Stipendiaten des nationalen Stipendienprogramms) Stipendiaten würden sich engagieren. Dort wird nur festgestellt, dass im Rahmen dieses neuen Programms auf solches kein Wert mehr gelegt wird — was ich für schlecht halte. Das bedeutet nicht, dass sich diese Menschen nicht engagieren würden.
„Eine Gesellschaft, in der Ideologien nicht hinterfragt, ausgearbeitet und angewendet werden, geht unter. ” sollte es natürlich heißen.
Gebühren verlangen wäre halt das logische Gegentail von „auf Spenden hoffen”, wenn es um die Finanzierung von Stipendien geht.
„Wenn sich aber eine Person im Rahmen einer Partei zum Beispiel gegen Rechts- oder Linksextremismus engagiert, ist das dann Parteiarbeit oder Engagement”
Na wahrscheinlich in der Regel beides aber so wie ich diese Stipendienprogramme kenne, wird man halt quasi genötigt, irgendwelche Kurse mitzumachen o.ä. und das hat eben nicht immer was mit Engagement zu tun. Natürlich ist es okay, wenn Stiftungen sowas machen, gar keine Frage. Ich würde nur den gesellschaftlichen Nutzen daraus nicht überbewerten wollen, schon gar nicht pauschal. Im Umkehrschluss finde ich Stipendien, die ausser Leistung keine Voraussetzungen erwarten eben auch nicht falsch, weil unter dem Strich sowieso jeder für sich entscheiden muss, ob und in welcher Form er sich engagiert. Nur weil das jemand während des Studiums tut muss das ja beispielsweise auch nicht heissen, dass er das anschließend auch noch tut.
„Dort wird nur festgestellt, dass im Rahmen dieses neuen Programms auf solches kein Wert mehr gelegt wird – was ich für schlecht halte. Das bedeutet nicht, dass sich diese Menschen nicht engagieren würden.”
Warum also hältst dus für schlecht, dass auf Engagement von Stipendiaten kein Wert gelegt wird, wenn du — so verstehe ich das jedenfalls — ebenfalls nicht diesen Zusammenhang siehst?
Weil ich sehe, dass die klassischen Begabtenförderungswerke neben der finanziellen Förderung ganz klar eine ideele Förderung beinhalten.
Ich sehe es als eine Aufgabe, möglichst viele Menschen zu freiwilligem, für die Gesellschaft nützlichem Engagement zu bewegen und sehe jede Art von „Elite” immer in der moralischen Pflicht, sich für die Gesellschaft einzusetzen und ihr etwas zurückzugeben. Eine elitäre Förderung, die weder an vorrangegangenes noch an zukünftiges Engagement gebunden ist, lehne ich daher ab. Ich sehe das durchaus ideologisch. Mag sein, dass in einem liberalen Weltbild unbegrenzter Eigenverantwortung niemand das Recht hat, von anderen Engagement und Interesse an der Gesellschaft einzufordern. In meinem Weltbild aber sind (selbst- oder fremdbenannte) Eliten zu Engagement moralisch verpflichtet, denn das macht ihre Legitimation aus.
> Hast du den Artikel überhaupt gelesen?
Natürlich.
> Die Hauptargumentation ist, dass nicht die Stipendiensysteme,
> sondern die allgemeine Förderung (über BaföG) ausgebaut
> werden muss.
Und das sind eben zwei ziemlich verschiedene Baustellen, die nur sehr oberflächlich etwas miteinander zu tun haben. Die Petition mischt hier alles zusammen, das ist nicht sinnvoll.
> Auf die Eigenverantwortung der Stipendiaten zu setzen
> („Spendet doch, wenn ihr so sozial seid!“) halte ich für den
> falschen Weg.
Es ist eigentlich nie falsch, auf Eigenverantwortung zu setzen.
Aber das mal beiseite, wir haben hier ein Mißverständnis. Mein Aufruf zum spenden ist nicht darauf bezogen, daß das die Lösung für die Bildungsfinanzierung wäre. Sondern da geht es mir nur darum, wie glaubhaft der Protest ist.
Eine politische Position, der man sein Stipendium verdankt, mit einer Unterschrift zu unterstützen — das beeindruckt nicht.
Wenn die 3717 Petenten das zusätzliche Geld nicht einsacken würden, während sie dagegen protestieren — dann könnte ich sie wenigstens ernst nehmen.
Toll, auch Bafög kommt fast nur den Priviligierten zu Gute.
Überhaupt dreht sich die gesamte Bildungsdiskussion in Deutschland um die Probleme der Priviligierten — jenen Teil der Gesellschaft die das Privileg der Hochschulreife hat.
Es gibt genügend Menschen in Deutschland die diese Privileg nicht haben.
Für die stellt sich das Problem nicht wie sie ihr Studium finanzieren — sie dürfen eh nicht studieren.
Trotz dem weit verbreiteten Irrglauben das diese Menschen zwangsläufig zu Hartz IV Empfängern werden erlernen die meisten einen Beruf und arbeiten später als Facharbeiter.
Einige entschließen sich später sich Fortzubilden — und hier fangen dann die Probleme für sie an.
Da ist z.B. das Problem der fehlenden Privilegien. Während dem 19 jährigen Abiturienten (theoretisch) jedes Studienfach offen steht, wird so machen Facharbeiter trotz Berufserfahrung der Zugang zum fachspezifischen Studium bewusst erschwert.
Schließlich möchten die Herrn Akademiker ja in ihren Elfebeinturm unter sich bleiben, immerhin ist man ja die Elite des Landes.
Entscheidet sich der Facharbeiter für eine klassische Fortbildung zum staatlich geprüften Techniker oder zur Ablegung der Meisterprüfung im Handwerk fallen für ihn Studiengebühren an ( schon immer, nicht erst seit ein paar Jahren ).
Oh, Bafög kann zwar beantragt werden… wer aber als Facharbeiter ein paar Jahre gearbeitet (und Steuern gezahlt) hat und das Geld nicht sinnlos verprasst hat besitzt schlicht und ergreifend zuviel „Vermögen” um Bafög zu erhalten.
Fakt ist also das die Priviligierten Besitzer der Hochschulreife mal wieder das Thema Bildung in ihrem Sinn gekapert haben.
Leider sind diese Priviligierten auch ziemlich neoliberal*. Sie verstaatlichen die Kosten ihrer Ausbildung, die Gewinne daraus werden privatisiert.
Mit einem Teil dieses Gewinns nachfolgenden Studenten zu helfen kommt den wenigsten in den Sinn, auch wenn das ziemlich einfach währe.
Stipendien könnten z.B. auch durch Fördervereine ehemaliger Absolventen vergeben werden, ganz ohne Vater Staat.
* Laut Chomsky ist das sozialisieren von Verlusten und das privatisieren von Gewinnen neoliberal ;)
„Sie verstaatlichen die Kosten ihrer Ausbildung, die Gewinne daraus werden privatisiert.”
Das ist eine völlig falsche Vorstellung vom Wert der Bildung.
Bildungsinvestitionen in einzelne Menschen zahlen sich so gut wie immer für die gesamte Gesellschaft aus. Die einfachsten und intuitivsten Beispiele (und Klischees) sind der Naturwissenschaftler, der etwas neues entwickelt oder der Geisteswissenschaftler, der ein vielgelesenes Buch schreibt.
Der Staat (also der Steuerzahler) finanziert die private Bildung einzelner, die wiederum, jedenfalls in einem vernüftigen Wirtschaftssystem, Werte schaffen, die allen zugute kommen. Das ist nichts besonderes und dieser Mechanismus funktioniert bei dem von Ihnen bemühten Facharbeitern ebenso (schließlich haben auch sie eine fremdfinanzierte Schul- und vielleicht Vorschuld-Bildung konsumiert).
Deshalb lautet die Forderung ja auch: Möglichst gute Bildung für möglichst viele Menschen!
Führt zwar ein bisschen vom Thema weg aber es ist halt schon sehr auffällig, dass wann immer es um Bildung geht, alle Welt sich auf Gymnasien und das Studium konzentriert und den Rest fast vollständig ausblendet (mal abgesehen von den ideologischen Debatten ob IGS, KGS oder mehrgliedrige Schulen nun toll sind). Liegt meiner Meinung nach daran, dass gefühlte 90% politisch engagierter Menschen ein Abitur haben (subjektiver Erfahrungswert!) aber bildet eben die Wirklichkeit nicht ab.
Ich denke beispielsweise, dass eine Streichung staatlich verordneter Mindest-Zugangsberechtigungen („Abitur”) für Hochschulen oder Universitäten eine Überlegung wert sein könnten. Wäre das nicht ein Beitrag zum Thema „Möglichst gute Bildung für möglichst viele Bürger?”
@Jan:
mag alles sein.
Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, von den Inhalten und den Lehr- und Lernbedingungen ganz zu schweigen, ist sowohl bei der universitären Ausbildung als auch bei der fach(schu)lichen Weiterbildung kein sonderes Land in Sicht. Dafür ist die Abschaffung bzw. Nicht-Einführung von jeglichen Studiengebühren essentielle Voraussetzung- auch für Zweit-Studien zu diskutieren, denn wovon soll so manche® das viel geforderte „lebenslange Lernen” noch bezahlen als Teil der „Generation Praktikum”?!
Ein Diskutant beklagte hier die Situation für diejenigen, die einen Meisterbrief „erwerben” wollen. Die Beschreibung ist m. E. richtig- und es ist traurig, dass diese, in einigen Branchen sehr wichtige kognitiv-administrative Institution so schwierig und letztendlich teuer zu erlangen ist.
Innovation und teilweise auch nur das Halten von Standards in Planung und Ausführung von Handwerksdienstleistungen ist von einem gewissen Stamm an MeisterInnen abhängig- hier wäre eine Einflußnahme bzgl. der IHKs über den Gesetzgeber dringend notwendig (GewO usw.). Das ist aber kein Thema, über das gerne gesprochen wird- „man” prostet sich lieber, an langen Tischen sitzend, mit Ketten behängt, herzlich auf seine „Erfolge” zu und hört nicht auf die Stimme der Warnenden.
Ich glaube es ist ziemlich gewagt, einerseits Zugangsvoraussetzungen abschaffen zu wollen und andererseits sämtliche Bildungskosten sozialisieren zu wollen. Das mag zwar für den Einzelnen recht angenehm sein aber wenn man sich nicht für eins davon entscheidet, stehen entweder Kosten und Nutzen irgendwann in keinem vernünftigen Verhältnis mehr oder die Finanzierung reicht am Ende doch nicht aus und müsste ständig mit neuen Debatten angepasst werden.
Rahmenbedingungen sind ein wichtiger Punkt. Die stimmen oft nicht, weil die meisten Bildungseinrichtungen eben in Wahrheit gar nicht darauf angewiesen sind, um Studenten oder Schüler zu werben, also ihnen maßgeschneiderte Angebote zu machen und sich mit anderen Einrichtungen messen lassen zu müssen.
@Kalle Kappner:
Die Argumentation mit dem Buch und der Erfindung ist nur bedingt tauglich. Schließlich bekommt man bspw. das Buch des Geisteswissenschaftlers nicht umsonst, sondern man muss dafür einen Preis bezahlen. Das Buch ist also nicht Gegenleistung dafür, dass man dem Geisteswissenschaftler das Studium finanziert hat, sondern es ist Gegenleistung für den gezahlten Buchpreis. Die Gegenleistung für die Bildungsfinanzierung bleibt dabei aus.
Nun kann man durchaus feststellen, dass Bildung positive externe Effekte hat und eine staatliche Bildungsförderung durchaus vertretbar ist. Bildung, insbesondere Hochschulbildung, stellt für viele Menschen aber auch einen hohen privaten Gewinn dar. Es ist daher nicht einzusehen und in hohem Maße sozial ungerecht, wenn diese Menschen die Kosten quasi komplett auf den Steuerzahler abwälzen.
Ich kann die Argumentation durchaus nachvollziehen. Am Ende scheiden sich aber die Geister an der Frage, ob Bildung als unbedingtes Menschenrecht gesehen werden soll, oder ob Bildung nur bis zu einem bestimmten Punkt (die kostenlose Schuldbildung greift zum Glück niemand an!) ein Menschenrecht ist.