Jörg Tauss hat heute seinen Austritt aus der SPD erklärt. Zugleich erklärte er seinen Wunsch sich der Piratenpartei anzuschließen. Er wäre damit der erste Bundestagsabgeordnete der Piraten.
„Ich bin und ich bleibe Sozialdemokrat - und werde deshalb ein Pirat.” — Jörg Tauss
Sein Verhalten ist konsequent. Wie die SPD-Fraktion im Bundestag in den letzten Wochen mit ihm umgegangen ist, ist beispiellos. Auf BILD-Niveau sahen wir die Abkehr von der Unschuldsvermutungen durch seine Kolleginnen und Kollegen. Innerparteiliche Solidarität und der Grundsatz, dass bis zur Rechtskraft eines Urteils der Angeklagte als unschuldig gilt, waren da nichts mehr wert.
Als besonders unverschämt habe ich dabei die öffentliche Äußerung von Martin Dörmann bei der Plenarsitzung empfunden:
„Dem Kollegen Tauss möchte ich keine Zwischenfrage gestatten. Ich möchte lieber fortfahren. Zwischenfragen anderer Mitglieder dieses Hauses gestatte ich gerne, aber nicht die des Kollegen Tauss.”
Quelle: Plenarprotokoll der 227. Sitzung des Bundestages, S. 133
Sollte sich der Vorwurf gegen Tauss bewahrheiten und er verurteilt werden, wäre das abscheulich und würde sein Bild auch in der Netzgemeinde zu Recht verschlechtern. Da gibt es keine Diskussion. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Tauss vernünftig zu behandeln ist. Eine Vorverurteilung — das sollte auch Dörmann als Jurist wissen — steht keinem zu.
Aus Sozialdemokratischer Sicht ist sein Austritt traurig. Tauss hat angeeckt und Rückgrat gezeigt. Er hat in der Fraktion eine andere Meinung vertreten. Solche Leute sind wichtig; solche Leute braucht jede Fraktion, jede Partei. Zumal er scheinbar der einzige sozialdemokratische Abgeordnete mit Internetkompetenz war. Aber Tauss hätte nach diesen Vorkommnissen keinen Fuß mehr fassen können.
Es bleibt festzuhalten, dass Kurt Beck wohl Recht hatte:
„Wir duzen uns, wir nennen uns Genossen, aber wir verhalten uns nicht so.” — Kurt Beck
Ein schwerer Verlust für die SPD. Ich hätte an seiner Stelle das gleiche getan. In einer Fraktion, die der Zensur die Tore öffnet hätte mich auch nichts gehalten.
Ich habe den Tauss, was das Fachpolitische angeht immer gemocht.
Wenn man jedoch bedenkt, wie er über andere ehem. GenossInnen sprach, die die Partei (samt gehaltenen Ämtern) verlassen haben, dann denke ich, dass Konsequent etwas anderes ist.
Mit der Piratenpartei hat er sich aber symbolisch auf jeden Fall die bestmögliche Alternative ausgesucht.